David und Isabell

Ich wwoofe wieder. Arbeiten für Essen und Unterkunft. Dieses Mal allerdings nicht in North Loburn, sondern in Kinloch, ein Ort, der sich etwa 20km von Taupo entfernt befindet. Diese Gegend hier kommt einem wie ausgestorben vor, da derzeit Winter ist. Kinloch ist ein Ort, der nur so von Ferienhäusern strotzt, die momentan jedoch leerstehend sind. Im Sommer wimmelt es hier bestimmt von Touristen, hauptsächlich alten Ehepaaren meines Wissens nach, da ich trotz des winterlichen Neuseeland-Regens bereits das ein oder andere Pärchen gesehen habe, das sich offensichtlich in dem ein oder anderen Ferienhaus eingemietet hat. Fünf Minuten vom Lake Taupo entfernt steht das Haus, in dem ich derzeit mit insgesamt sechs anderen Menschen wohne. Da wären zum einen drei andere Wwoofer namens Théo, JB und Matthew. Théo und JB kommen aus Toulouse. Matthew aus Schottland. Alex, ein 24 jähriger Brite, arbeitet bezahlt schon seit mehreren Monaten hier und kümmert sich um Davids gepachtete Farmländer, fliegt allerdings Mitte Juli wieder zurück nach Hause, ins United Kingdom. Nun sind meine bzw. unsere Hosts an der Reihe: David und Isabell. Ein sehr junges Paar im Vergleich zu den anderen Hosts, die ebenso Wwoofingplätze anbieten. David, 26, und Isabell, 25. Sie sind erst ein paar Monate zusammen, da Isabell erst seit Oktober letzten Jahres hier in Neuseeland ist, drei Monate Au-Pair in Auckland war, dann beschloss zu wwoofen, somit hier bei David landete und ihre große Liebe hier in Kinloch fand. Angeblich. Man weiß es nicht.

Aus ein paar mir bereits am ersten Tag aufgefallenen Gründen verspürte ich ein sehr starkes Gefühl der sofortigen Abreise. Dabei tat sich eine erste Frage auf, die ich mir stellte und bereits zu dem Zeitpunkt wusste, dass noch viele weitere folgen würden: Warum kann ich kein Glück haben, wenigstens einmal glasklar vernünftige „Hosteltern“ zu haben, die ganz normale Leute ohne irgendwelche Probleme sind? Am Tag meiner Anreise konnte ich nach ein paar Wochen endlich mal wieder Deutsch sprechen, da Isabell deutsch ist. Kaffé trinkend saßen wir zusammen am Esstisch im Wohnzimmer, wobei das Wohnzimmer ein großer Raum ist, der Fernsehstube, Esszimmer und Küche miteinander wändelos zu einem gemeinsamen Zimmer verbindet. Wir unterhielten uns ganz nett, sie machte einen recht aufgeschlossen, freundlichen Eindruck und wir plauderten. Wie das eben ist, wenn man jemand ganz neuen kennenlernt. Doch dieses angenehme Gefühl von freundlicher, unbekümmerter Atmosphäre umgeben zu sein, sollte nicht lang vorhalten. Es war Dinner time, Abendbrotszeit wie man es auf Deutsch zu sagen pflegt, alle sieben Bewohner des Hauses saßen beisammen und aßen. Da lernte ich zu begreifen, mit was für Hosts ich es dieses Mal zu tun habe und was die anderen Wwoofer inklusive mir in Zukunft erwarten würde..

Ein Paar, dem es nicht einmal im Traum einfällt, sich darum zu scheren, was für einen Eindruck sie auf die Menschen machen, die mit Ihnen am Tisch sitzen, im gleichen Haus wohnen und zusammen leben. Die Art wie das „Traumpaar“ miteinander umgeht ähnelt zwei verliebten Teenagern in der siebten Klasse, die es nie und nimmer lassen können, von einander öffentlich zu schwärmen und sich dementsprechend auch zu verhalten. Dazu zählen Fragen wie „Liebst du mich, mein Schatz?“ und Antworten wie „Ja, ich liebe dich, mein Schatz“. Das alles vor – ich sage mal – versammelter Mannschaft. Der Zuhörer hat eher das Gefühl als würden die Fragen und Antworten als Mittel zum Zweck gestellt werden, weil beide offenbar der ganzen Welt zeigen wollen wie lieb sie sich haben und wohl unbegründete Angst haben, dass der eine dem anderen ausgespannt werde. Mal im Ernst. Wie kann man glauben, dass man überhaupt einen dieses herzallerliebsten Paares ausspannen wollen würde? Ich meine, wie naiv kann man bitte sein. Mir würde das nicht einmal im Traum meiner Träume einfallen. Ist das wahre Liebe, anderen durch permanent überflüssige Turtelein auf den Sack zu gehen? Da fällt mir ein, dass man ab und zu sogar meinen könnte, dass David Isabells drei jähriger Sohn sei, weil sie nahezu täglich mutterähnliche Bemerkungen wie „David, Nein!“ oder „David, Lass das!“ von sich gibt. Dank dem 21 järigen Franzosen JB weiß ich nun wenigstens etwas zu sagen, wenn mal wieder eine ihrer in vielfältiger Hinsicht nervigen Arten – ich nenne es mal – zu „flirten“ auftritt. Auf deutsch kann ich leider nichts Genervtes von mir geben, da das das Turteltäubchen Nummer 2  verstehen würde. Von Turteltäubchen Nummer 1 habe ich hingegen den Eindruck, dass er ab und zu nicht einmal irgendetwas versteht. Sagt man „Good Morning“, erhält man entweder ein seltenes „Good Morning“ zurück, einen leicht genervten Blick oder keines von beiden. Das ist David. Ich frage mich wie er sein würde, wenn er kein Turteltäubchen Nummer 2, sondern nur einen einzigen Wwoofer hätte. Dann wäre er praktisch gezwungen zu antworten, geschweige denn freundlich zu sein.

Nett die beiden. Was mich allerdings tröstet, ist die positive Tatsache zu wissen, nicht für immer hier wohnen zu müssen. Achja, eine – lass mich sagen – unüberhörbare Begebenheit hat mir nur noch einen weiteren Grund gegeben, so schnell es geht von hier verschwinden zu wollen. Denn weiterhin brauche ich nicht unbedingt den beiden bei ihrem nächtlichen Bettspaß zu lauschen..

 

 

Veröffentlicht von Lennart Jonas Meyer

Derzeit auf Reisen.

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